Schon zum 7. Mal stellen junge deutsche Fotokünstler ihre Arbeiten im Rahmen einer Wanderausstellung „Gute Aussichten“ einer breiten Öffentlichkeit vor. Was ist bei einer Gruppenausstellung zu erwarten? Licht und Schatten natürlich. Kein gutes Licht auf moderne Fotografie wirft nach meinem Geschmack die Strömung in der Fotokunst, Abbildungen von Installationen und Skulpturen sowie allzu abstrakte Bildnisse Fotografie zu nennen. Natürlich werden die Ergebnisse auf Chip oder Film erfasst, um dann auf Fotopapier zu enden. Aber was haben die Basteleien Samuel Hennes, der aus irgendwelchem Alltagsmaterial irgendwelche Männchen bastelt, diese Skulpturen vor pastellfarbigen Hintergründen ablichtet und das Opus dann „"something specific about everything" nennt, mit Fotografie zu tun? Ähnlich überflüssig erscheinen mir die Leuchtpunktordnungen Luminant Point Arrays Stephan Tillmanns sowie die kalten Räume und Flächen einer Katrin Kamrau und eines Jan Paul Elvers.
Ein wenig mehr fotografisch kommen André Hemstedt und Tine Reimer daher, allerding ist mir deren Arbeit „Konstruktion von Bewegung“ zu konstruiert und auf eine Weise zu intellektuell, die mir ein eher eingeschlafenes Lächeln abringt.
Ist es Zufall, dass diese Künstler gestern anscheinend recht wenig bis gar keine Aufmerksamkeit der Besucher erhielten?
Sehr gut besucht war allerdings der Ausstellungsraum, in dem Rebecca Sampson Fotos von jungen Menschen mit Essstörungen ausstellte. Die Künstlerin setzte das Vertrauen, das sie während einer dreiwöchigen Begleitung der Menschen in Kliniken erlangte, in Fotos um, die die Menschen im Zusammenhang mit der ihrer aktuellen Umgebung zeigten oder in Portraits, aus denen Verzweiflung, Angst, Scham aber auch Zuversicht sprechen. Eine Zuversicht die vor allem ein Mädchen, das auf einer Lichtung in einem Wald fotografiert wurde ausstrahlte. Sie wirkt fast stolz; die nur wenige Zentimeter großen jungen Bäume symbolisieren perfekt das neue Leben, das scheinbar jetzt für sie beginnt.
Auf die Spuren ihres Großvaters hat sich Helena Schätzle begeben und reiste 2600 km durch Osteuropa. Sie zeigt ältere Menschen im Kontext in ihren Wohnungen. Die Portraitierten haben sich ordentlich angezogen, ihre Zimmer wirken aufgeräumt. Sie wollen anständig aussehen. Verstehen sie, dass die Fotos in der allerersten Welt Betroffenheit auslösen? Zur Unterstreichung der Ödnis hat die Fotografin karge Natur-, Kultur- und Industrielandschaften im Winter fotografiert. Besonders deutlich wird die aus unserer Sicht verzweifelte Lage der Menschen in dem Foto einer Bäuerin, die vor einer Maschendrahtabsperrung steht. Sie lehnt sich an den geschlossenen Teil des Flügeltores, der offene Flügel würde sie entkommen lassen. Aber wohin?
In einem etwas abgeteilten Raum wird in Hamburg die am 01.November 2010 verstorbene Sybille Bergemann geehrt. Die Fotografin studierte bei ihrem späteren Mann Arno Fischer und war in der DDR u.a. als Modefotografin tätig. Nach der Wende war sie Mitbegründerin der Agentur Ostkreuz. Neben einigen eher privaten Polaroids ist die Dokumentation der Entstehung des Marx-Engels-Denkmals nahe dem Berliner Roten Rathaus zu sehen.
Die Ausstellung ist noch bis zum 27.02.2011 in Hamburg, danach geht es nach Stuttgart und Washington. Das detaillierte Programm und weitere Informationen zu den Guten Aussichten findet ihr hier.
Der Eintrittspreis beträgt in Hamburg satte 9,- Euro. Auch wenn ich gerne diese Ausstellung besuche und gerne wiederkomme, ist der Preis auch im Vergleich zu ähnlichen Einrichtungen z.B. in Paris unangemessen hoch.
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