Digitale Demenz

Portal der Pfarrkirche St. Laurent, Paris

"Wie heißt noch mal...?"
"Das Lied kenne ich, das ist von... , wie heißt der nochmal?"
"Die Hauptstadt von Honduras heißt .... Mensch, früher hab ich es mal gewusst. "
Aber die kollektive Unwissenheit ist ja kein Problem mehr, man hat ja sein Smartphone und seine mobile Internet Flatrate. Also kurz das Iphone bemüht, Sekunden später hat man die Hauptstadt herausgefunden und gleich wieder vergessen. Bis zur nächsten Surfwelle.
Hoffentlich kann ich die Flatrate auch immer bezahlen. Sonst bin ich vom Wissenskanon der Menschheit ausgeschlossen. Und dann muss ich wieder alte verstaubte Atlanten bemühen, dieses gelbe Buch namens Duden aufschlagen und mir die Platten- ähh CD-Cover ansehen und mir auch noch alles merken.
Ich gebe zu: Auch ich profitiere von der allgewärtigen Wissenscloud.
Auf einem Spaziergang durch Paris fotografierte ich das obige Kirchenportal. In meinem Gedächtnis blieb immerhin noch, dass die Kirche am Boulevard Magenta liegt. Heute will ich das Bild beschriften, um es ins Netz zu stellen. Ich surfe Google Maps an, tippe "Paris","Boulevard Magenta" und lande auf dem Stadtplan. Ich sehe eine Kirche von oben, weil ich den Hybridmodus mit Satellitenbild eingeschaltet habe, finde aber keinen Kirchennamen. Ich rücke der Kirche noch näher auf den Pelz und schalte Streetview ein, fahre den Boulevard hoch und entdecke die Kirche. Wieder kein Name, doch da: Auf einem Plakat, das links neben dem Eingang aufgehängt wurde, steht irgendwas von St. Laurent. Ein neuer Tab in Firefox ist schnell geöffnet und der Suchbegriff in Wikipedia eingegeben, ach nein, copy and paste, das ist ja gerade auch politisch wieder aktuell. Ich finde die Kirche, kann mein Foto korrekt beschriften und hoffe, dass das Wort Magenta mich nicht nur daran erinnern wird, auch in Zukunft brav und pünktlich meine Mobilfunkrechnung zu bezahlen.
Ach ja, und die Hauptstadt von Honduras heißt Tegucigalpa. Irgendwas Sinnloses muss man auch von alleine wissen.