Von Heiß bis Eis
Auf dem isländischen Fernwanderweg Laugavegur von den heißen Quellen Landmannlaugars zu den Gletschern im Süden.
Schon zu früher Stunde an diesem Sonntagmorgen herrscht reges Treiben am Busbahnhof Reykjaviks: Tickets werden verkauft, Fahrpläne studiert, das Reisegepäck - zumeist große Rucksäcke - einer letzten Kontrolle unterzogen. Vor dem Gebäude hatte das gegenüber liegende Outdoorausrüstungsgeschäft einige Ausstellungszelte aufgebaut, aus denen einige Unerschrockene kriechen. Sie hatten die Zelte offenbar als eine Einladung zu einer kostenlosen Übernachtung verstanden. Von dem großen Parkplatz rollen die ersten Busse in Startposition. Die Busgesellschaften bieten im Sommer einen Linienverkehr zwischen den Attraktionen des unbewohnten und sonst fast nur für Geländewagen zugänglichen Hochlandes an. Ein Bus fährt vor; der Fahrer positioniert ein Schild mit der Aufschrift „Landmannalaugar“ hinter die Windschutzscheibe. Das gilt mir. Schnell ist der Rucksack im Gepäckraum verstaut, ich besetze einen der begehrten vorderen Plätze, und schon geht es in zügiger Fahrt aus Reykjavik nach Osten. Als der Bus die wichtigste Verkehrsader Islands, die Ringstraße, verlässt, geht es auf geschotterten Pisten ins Landesinnere. Ungläubig blicke ich auf den Tachometer: Bis zu 90 km/h Reisegeschwindikeit, Gesamtfahrleistung über 1 Mio km, und das auf diesen Straßen. Kurz nachdem wir den zuletzt 1991 ausgebrochenen Vulkan Hekla passiert haben, wird die Piste noch schlimmer. Steile Anstiege und Abfahrten wechseln sich mit der Querung rauher Lavafelder und dem Kreuzen einiger Flüsse ab. Nach der letzten halbmetertiefen Furt ist das Ziel erreicht. Am Rande eines mächtigen erkalteten Lavastroms liegt im Fjallabak-Nationalpark das wohl jedem Islandreisenden bekannte Landmannalaugar. Bei den „warmen Quellen der Männer vom Land“ unterhält der größte nationale Wanderverein eine Berghütte und einen Campingplatz. Hauptanziehungspunkt ist ein kleiner Fluss, der von einem unter dem Lavafeld entspringenden heißen Bach aufgeheizt wird und inmitten grandioser Natur in 35 °C warmen Wasser eine ausgezeichnete Bademöglichkeit bietet. Landmannalaugar ist aber auch ein sehr guter Stützpunkt für Wanderungen in die Umgebung. Für mich soll es der Ausgangspunkt für den beliebtesten Wanderweg Islands sein. Der Laugavegur führt über gut 50 km nach Süden in die Landschaft Thörsmörk an den Rand des Gletschers Myrdalsjökull. Vier Tage plane ich dafür ein. Wenn alles gut geht und vor allem das Wetter mitspielt, will ich noch eine 25 km Tagesetappe an die Südküste nach Skogar anschließen. Doch jetzt muß ich zuerst schnell mein Zelt aufbauen. Noch scheint die Sonne, aber in Landmannalaugar kann sich das innerhalb weniger Minuten dramatisch ändern. Stürme und selbst Schneefall sind auch im Sommer keine Seltenheit.
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